2016

Reifeprüfung bestanden

saarland16_blog

"Wann war das letzte Mal, dass Du etwas zum ersten Mal gemacht hast?" – Je älter man wird, umso schwieriger wird es diese Frage ad hoc zu beantworten. Doch manchmal passieren einem Dinge im Leben, die verändern auf einen Schlag Alles, bringen frischen Wind ins fehlende Haupthaar und mich zu folgender Antwort: Ich habe am letzten Wochenende das erste Mal einen Rallyefahrer von der Schule abgeholt, um anschließend mit ihm rund um Merzig im Saarland auf Zeitenjagd zu gehen. Klingt komisch, ist aber so...

Dankbar folgten wir dem Angebot von Sven Langenfeld Racing, der uns für Romans Heimveranstaltung seinen Ford Fiesta R2 zur Verfügung stellte. Während Roman schon des Öfteren die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug zu testen, lagen meine Erfahrungen mit dem R2 bei Null. Sitze und Gurte anpassen, kleine technische Hinweise des Besitzers - das musste reichen. Nachdem wir anschließend den administrativen und technischen Teil der Rallye hinter uns gebracht hatten, wurde ich am Abend in die saarländische Lebenskultur im Hause Schwedt eingeweiht. Gute Musik, Hauswein und "Verheiratete" inbegriffen.

Am nächsten Morgen ging es zur Besichtigung der Wertungsprüfungen (WP). Hier offenbarte sich Romans derzeitige größte Schwäche: Wie beschreibe ich den Streckenverlauf mit meinen eigenen Worten und transformiere sie schnell und effektiv in eine einprägsame Kodierung. Es ist vermessen zu erwarten, dass er dies bereits nach einer gefahrenen Rallye können müsse. Dazu fehlt es ihm erstens an der Erfahrung und zweitens am passenden Vokabular. Deshalb erarbeiteten wir gemeinsam eine saubere Notation und brachten einen schönen Fluss in die Sache rein. Außerdem waren Vorausahnungen und Details zur Entwicklung der Straßenoberfläche unabdingbar, denn nach einer regenreichen Herbstwoche verwandelten sich die Strecken in einen schmierigen Mix aus Laub und Schlamm. "Slip" in den Kurven, "Slip" beim Anbremsen, "Slip" überall...

Wie würde Roman mit den schw(m)ierigen Bedingungen klar kommen? Nach außen war ich cool, aber diese Frage beschäftigte mich vor dem Start am Meisten und trieb meine Nervosität in die Höhe, je näher wir an den Start der ersten WP "Kewelsberg" kamen... Die Uhr tickte runter 40, 30, 20, 15, 10, 5, 4, 3, 2, 1... alle Bedenken verflogen.

Roman fuhr eine blitzsaubere Rallye - als hätte er seit 17 Jahren nichts anderes gemacht. Abgeklärt, mit Kopf und Übersicht, immer mit dem Ohr am Aufschrieb. Vorsichtig an den Stellen, wo man die Rallye nur verlieren konnte. Attacke, da wo es die Bedingungen zuließen. Roman lässt sich toll führen und setzt die Dinge, die man ihm vorschlägt so unglaublich schnell in die Tat um. Teamwork, wie es sein soll. Dass alles zeugt von einer Reife, die mich oft vergessen lässt, wie jung der Bursche eigentlich erst noch ist und wieviel Freude er mir im tiefsten Innern eigentlich bereitet.

Im Ziel feierten wir einen großartigen 9. Gesamtrang, gewannen unsere Klasse und waren bestes Fahrzeug mit Frontantrieb. Abschließendes Zeugnis: Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden - aber jetzt zurück in die Waldorfschule und pauken. Diese Woche steht eine Musikarbeit an...


Bildquelle: RallyeActionSaar

Begleitetes Fahren mit 17

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Vor zwei Monaten stellte mir Dennis Zenz (Profi-Beifahrer und Instrukteur beim DSK) zwei kurze Fragen. Diese waren: "Wie alt?" und "Wie viele Punkte in Flensburg?". Meine entsprechende Antwort: "36 und 0." Die Frage zielte darauf ab, ob ich die Grundvoraussetzungen zum "Begleiteten Fahren" mitbringen würde, um einem 17-jährigen Nachwuchstalent bei seiner ersten Rallye in Wertung zu unterstützen. Hatte ich…

Roman Schwedt ist Saarländer und wollte schon immer Rallyefahrer werden. Mit dem Rallyevirus wurde er bereits in frühester Kindheit infiziert, denn aufgewachsen ist er in den Serviceparks und auf den Kartstrecken Europas. Es dauerte nicht lange bis alle möglichen Hebel im Gang gesetzt wurden, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen... und zwar, so schnell wie möglich. Dafür mussten zu allererst viele bürokratische Hürden beim DMSB und den Verwaltungsämtern bewältigt werden. In der Zwischenzeit gewann er souverän das DSK Rallye-Scouting von Armin Schwarz und wir testeten gemeinsam mit AUDEX Motorsport unser geplantes Einsatzfahrzeug, den Opel Adam Cup, auf dem Fliegerhorst in Diepholz. Vor einer Woche flatterten schließlich alle Bestätigungen und die Internationale C-Lizenz ins Haus. Grünes Licht für Roman's Rallyepremiere zum Finale der Deutschen Rallye Meisterschaft als Gaststarter im ADAC Opel Cup bei der 3-Städte-Rallye.

Ich war gespannt, wie Roman sich in Deutschlands härtestem Rallye-Cup schlagen würde und wo wir im Vergleich zu den anderen 21 Nachwuchstalenten und Gaststartern stehen würden. Dass diese Standortbestimmung gleich bei vier Wertungsprüfungen (WP) in der Nacht am Freitag und bei leichtem Regen erfolgen sollte, erhöhte das Spannungsmoment bei mir zusätzlich (von meiner Erkältung einmal abgesehen). Von seiner großartigen Fahrzeugbeherrschung konnte er mich bereits beim Test in Diepholz überzeugen, ob er diese jedoch auch auf echten WPs umsetzen kann, blieb er mir noch schuldig.

Die WP "Eglsee" und "Reutern" mussten jeweils direkt hintereinander zweimal absolviert werden. Obwohl wir den ersten Durchgang "Eglsee I" relativ ruhig angingen, zerstörten wir uns beim Ausgang einer Schikane die vordere linke Felge. Das sollte uns jedoch nicht daran hindern beim zweiten Mal 9 Sekunden schneller zu fahren und die ersten guten Cup Teilnehmer hinter uns zu lassen. 1,4 Sekunden pro Kilometer verloren wir auf die Führenden.

Auf "Reutern I" verabschiedete sich dann ein vor uns gestartetes Team heftigts in die Botanik. Als wir an die Unfallstelle kamen, sahen wir nur noch Zuschauer, die halb auf der Strecke standen und uns mit wild wedelnden "Taschenlampenapps" zum Langsamfahren zwangen. Ich sah das "OK" Zeichen an der Unfallstelle und veranlasste Roman danach weiter Gas zu geben. Am Ende der WP, auf einem bergrennstreckenähnlichen Abschnitt, hatten wir zwar noch richtig Freude, die Zeit konnten wir aber nach dem unverschuldeten Mißgeschick vergessen. Der zweite Durchgang "Reutern II" verlief problemlos. Ungeachtet der extrem nachlassenden weichen Reifen, konnten wir am Ende noch eine achtbare 11. Zeit setzen.

Mein Fazit nach Tag 1:
Zwischenmenschlich - wunderbar; WPs - ausbaufähig; Lernkurve - erwartungsgemäß. Nur die Verbindungsetappen waren für meinen Geschmack etwas zu hektisch. Unsere Aufgabenverteilung war noch nicht optimiert und sorgte manchmal für unnötigen Stress.

Der zweite Tag fand zum großen Teil auf dem langen Rundkurs "St. Salvador" statt. Mehr als 65 km mussten in der Summe auf den schnellen und flüssigen Abschnitten rund um Thierbach bewältig werden. Am Morgen schien Roman jedoch etwas übermotiviert zu sein. Einen Rechtsabzweig, auf den wir in der ausgedrehten 5. Welle ankamen, bremste er viel zu spät an, so dass wir den Notausgang nutzen mussten. 4 Kilometer weiter bei einer Linkskehre übertrieb er es etwas mit dem Griff zur Handbremse und zwang uns in einen halben Dreher. Kleinigkeiten, die ihm verziehen werden sollten, denn was er auf den folgenden Abschnitten und am Nachmittag ablieferte, war allererste Sahne. Im Laufe des Tages fuhren wir noch drei Top 10 Zeiten und reduzierten unseren Rückstand auf unter 0,7 Sekunden pro Kilometer auf den Führenden.

Im Ziel waren wir alle glücklich. Über eine erfolgreiche Zielankunft, eine beeindruckende Leistungssteigerung und einen tollen 12. Platz. Was Roman abgeliefert hat, war in meinen, und ich hoffe in vielen anderen Augen auch, ein absolut starker Einstand in der deutschen Rallyeszene (für einen 17-jährigen Waldorfschüler)...

Ein großes Dankeschön geht an das Team von AUDEX Motorsport und unsere drei Mechaniker Jörg, Rico und Norbert, die uns ein top vorbereitetes Auto hinstellten und für einen absolut reibungslosen Auftritt während der gesamten Veranstaltung sorgten.


Bildquelle: Sascha Dörrenbacher

Ölsardinen in der Dose

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Am letzten Dienstag fügten sich die Umstände des Weltenplans und boten mir die Möglichkeit, mich zur Rallye Zwickauer Land neben den Rößner Jan und seiner 23 Jahre alten Suzuki Dame zu setzen und ihm den Weg zu weisen. Ich zögerte keine Sekunde und sagte kurzentschlossen zu. Als ich in Zwickau mit Sack und Pack aufschlug und mich die Leute fragten, mit wem ich denn das "Tänzchen" dieses Wochenende wagen würde, gingen die Meinungen weit auseinander. Von "hast-du-dir-das-auch-gut-überlegt" bis "du-wirst-richtig-spass-haben" war eigentlich alles dabei. Ich kenne den Zschopauer schon relativ lange und war als Zuschauer immer Fan seines spektakulären Fahrstils. Dass Jan zudem in 10 Jahren Rallyesport noch nie einen schweren Unfall hatte, bestärkte mich in meiner Entscheidung.

Am Freitag Abend tauschten wir uns über sein Konzept des Aufschriebmachens aus, definierten alle anderen Parameter, die diese "Kurzehe" so erfolgreich, wie möglich machen sollte und setzten dies während der Besichtigung der Wertungsprüfungen (WP) am nächsten Morgen ohne Hektik in die Realität um. In einigen Passagen, bei denen Jan sich unsicher war, wie er sie notieren sollte, stieß ich mit meinen Tipps und Hinweisen auf offene Ohren. Alles in allem war es eine runde Sache. Was uns jedoch etwas Kopfzerbrechen bereitete war die Reifenwahl (Schotter vs. Asphalt) und wie wir uns zwei langen Kerle in das kleine Auto falten würden, ohne den Arbeitsbereich des Anderen zu behindern. Sagen wir es so: Ölsardinen in der Dose schlafen komfortabler...

Wegen des hohen Schotteranteils von 45% und des brüchigen Asphalts entschieden wir uns, im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenten unserer Klasse, für die Schotterbereifung. Auch um auf Nummer Sicher zu gehen und keine Schäden zu riskieren.

Von Nervösität oder Unruhe keine Spur. Ich war vorfreudig gespannt, wie sich das, was ich all die Jahre von Jan immer nur von außen bewundern dufte, nun in der "Liveshow" anfühlt. Und ich kann es vorweg nehmen: Es war großartig. Nicht nur die fahrerische Klasse, sondern auch, wie Jan Dinge umsetzt, die man ihm sagt. Unwohl oder unsicher fühlte ich mich zu keinen Zeitpunkt. Er beherrscht einfach die alte schwachbrustige Dame mit all ihrer Gutmütigkeit und weiß genau, was er in welcher Situation zu machen hat. Leuten, die meinen er wäre verrückt, kann ich hiermit den Zahn ziehen. Verrückte hören nicht darauf, was man ihnen sagt und setzen es erst recht nicht um. Jan tut dies und zwar in überlegter Art und Weise, die sich mit einer tollen Fahrzeugbeherrschung paart. Und das macht meiner Meinung nach einen richtig guten Rallyefahrer aus.

Wir fuhren die ersten beiden WPs Bestzeit und bauten schrittweise unsere Führung aus. Sicherlich profitierten wir, vor allem im Kieswerk, von unserer Bereifung und von den technischen Problemen Ulf Grünert's im 30 PS stärkeren Opel Corsa GSI. Das sollte uns aber nicht daran hindern den Swift trotzdem wie eine gelbe Orangenfrucht auszuquetschen. Zur dritten WP konnte Grünert alle Vorteile seines Fahrzeuges ausspielen und den Rundkurs "Vielau" 18 Sekunden schneller als wir absolvieren. Auf dem Weg ins Regoruping, fragte mich Jan nach meiner Meinung und wir diskutierten, wo und vor allem wie wir es beim zweiten Durchgang besser machen könnten.

Gesagt getan.
WP4 "Zschocken": 9 Sekunden schneller.
WP 5 "Normkies": 6 Sekunden schneller.

Vor dem abschließenden Rundkurs führten wir bereits mit 41 Sekunden unsere Klasse an und fuhren das Ding konzentriert auf dem 12. Gesamtrang nach Hause. Auf dem Weg ins Ziel erzählte ich Jan, wie sehr ich den letzten Wertungsabschnitt immer wieder hasse, insbesondere, wenn man weit in Führung liegt. Im Hintergund säuselte derweil der Swift ohne ein einziges Klappern und ohne den geringsten Schaden vor sich hin und wir beendeten die Rallye im ersehnten Heimathafen und mit einen zufriedenen Grinsen von der Gesichtsmitte bis zu den Ohren. Es war mir ein Fest, Herr Rößner.


Bildquelle: S & S pictures

Home Sweet Home

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Was ist, wenn Freunde, Familie, Förderer und Fans einen schönen Tag genießen und gemeinsam bunte Autos bejubeln. Richtig: Heimrallye!

Im Fall von Tina Wiegand ist dies die Rallye Grünhain, die in diesem Jahr zum 13. mal ausgetragen wurde. Meine letzte Teilnahme lag bereits 10 Jahre zurück und so freute es mich besonders, an diesem Volksfest im rallyeverrückten Erzgebirge wieder einmal aktiv dabei sein zu dürfen.

Heimrallye bedeutet aber auch: (A) mehr Druck, es ganz besonders gut machen zu wollen und (B) mehr Verpflichtungen zu haben, als man es sonst gewohnt ist. Doch Tina wirkte in ihrer vertrautem Umgebung die ganze Zeit relativ entspannt und war voller Vorfreude. Auch wenn sie sich nicht nur um ihre eigenen Probleme, sondern zur gefühlten Hälfte auch um die ihres Vaters Carsten Wiegand (kurz der "Vat") kümmern musste. Dass dieser zusätzlich in der selben Klasse an den Start ging, machte die ganze Sache umso interessanter. Es war quasi ein Treffen der Generationen: Oder "Schlechte Augen gegen Kampfgeist".

Die knackigen Wertungsprüfungen (WP) hatten es richtig in sich. Kurz, eng und schön anspruchsvoll. Und zwar nicht nur für den Fahrer, sondern auch für den "Ballast" daneben. Wir arbeiteten weiter an der Verfeinerung unseres Aufschriebes und führten selbst für die kleine Rallye neue Begriffe ein, die genauer und präziser als vorher waren. Tina hat stets ein offenes Ohr für Verbesserungen und das macht es so angenehm mit ihr zu arbeiten. Insbesondere für einen wie mich, der immer wieder mit neuen Ideen und Vorschlägen ankommt. Wenn man ihr jedoch die Sachen genau und verständlich erklärt, dann kann sie dies für gewöhnlich sehr schnell umsetzen...

Erste WP. Eine Sekunde schneller als der "Vat"!


(Ich lasse das mal kurz wirken...)


Vielleicht wollte Tina auf der anschließenden WP in Raschau dann etwas zu viel. In Ihrer Aggressivität passierten kleine vermeidbare Fehler. Ihren Ärger darüber trug sie fluchend und schnaubend in die nächsten Kurven weiter. Doch wer flucht und schnaubt, hört nicht mehr richtig zu und ist damit auch nicht mehr schnell. Den Beweis dafür lieferte die Uhr. Ich riet ihr auf der folgenden Verbindungsetappe, dass sie beim nächsten Mal ihren Fehler akzeptieren, aber sofort abhaken und sich auf den nächsten Abschnitt konzentrieren müsse. Gesagt, getan. Ab dann lief es wieder.

Tina hat sicherlich noch immer Defizite in schnellen und offenen Passagen, aber sobald Häuser und gemauerte Wände den Straßenrand markieren, ist sie wie schmerzbefreit und fühlt sich wie im Paradies. Beherzt ließ sie das "Lupinchen" durch die engen Dorfgassen fliegen, dass ich Ihr Grinsen mit den Ohren sehen konnte. Das entspannte und runde Fahren, das sie nun umsetzte, spiegelte sich dann tatsächlich auch in den Zeiten wieder. Die zweite Schleife absolvierten wir in der Summe 13 Sekunden schneller als die erste.

Zwar konnten wir den "Vat" nicht mehr halten und auch für einen Pokal in unserer stark besetzten Klasse reichte es mit dem 6. Platz leider nicht mehr, aber dafür war die Platzierung in der Gesamtwertung aller Ehren wert. Von 123 gestarteten und 75 gezeiteten Teams, erreichten wir als 34. das Ziel am Kulturhaus in Lauter.


(Ich lasse das mal etwas länger wirken...)


p.s. Ein großes Dankeschön an den Schriftführer der Technischen Abnahme Jörg Trültzsch vom Veranstalter MC Grünhain, der mich freundlichst darum bat, an dieser Stelle und stellvertretend für die Organisatoren und vielen Helfer, die zum Gelingen der Rallye beigetragen haben, namentlich erwähnt zu werden ;)


Bildquelle: rallyefoto.de

Willkommen im Sekundenkampf

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Die Wartburg Rallye 2016 war in gewisser Weise eine Blaupause meiner gesammelten Erfahrungen neben Tina Wiegand. In der Summe allerdings auf einem definitiv höheren fahrerischen Niveau, als ich es noch vor 1,5 Jahren bei unserer ersten gemeinsamen Ausfahrt vorfand. Wahrlich ansprechende Zeiten, die den ein oder anderen der 22 Herrenteams in unserer Division teilweise überrascht aufs Smartphone und das Zeitentableau schauen ließen – dann aber auch wieder Phasen der unbegründeten Unsicherheit und Zaghaftigkeit. Doch der Reihe nach...

Rallyesport im Thüringer Wald und unter der alles überwachenden Wartburg ist immer wieder ein ganz großes Volksfest. Insbesondere spürt man dies beim Showstart am Freitagabend auf dem Markt in Eisenach, wo Zuschauer in Fünferreihen die Teilnehmer bejubeln, begrüßen und in der Region willkommen heißen. Da fühlt man sich ganz plötzlich nicht mehr im Schatten anderer Motorsportarten, sondern direkt im Fokus der deutschen Motorsportwelt. So wie es eigentlich auch sein soll.

Dass der Veranstalter den Brennpunkt mehr und mehr auf den Zuschauermagnet "Cosmodrom" verlagert, schmeckt nicht jedem Teilnehmer. Ich bin in dieser Hinsicht geteilter Meinung. Ich liebe die Herausforderung der wahren Wartburg Klassiker wie "Waldhaus", "Gollert" oder "Heldrastein". Wenn die Zeiten jedoch, wie in diesem Fall, für Tina, das Team und das "Cosmodrom" sprechen, ist mir das aber auch ganz recht, denn mit der 9. Zeit hatten wir einen überraschend guten Start in die Rallye.

Dann ging es auf das Waschbrett "Heldrastein". Gerüchte besagen, das Jahr für Jahr losgelöste Zahnfüllungen von Rallyefahrern, für erhöhten Umsatz bei Zahnärzten führen. Die WP Heldrastein soll der Grund dafür sein. Bei uns blieben alle Füllungen drin und wir konnten uns im Mittelfeld der Division festbeißen.

Der bereits oben erwähnte Leistungseinbruch folgte auf den anschließenden Klassikern "Waldhaus" und "Alte Gollert". Wir verloren den Anschluß ans Mittelfeld, wollten diesen beim zweiten Durchgang auf dem "Cosmodrom" aber wieder unbedingt herstellen und die verlorene Zeit wieder gut machen. Doch ein lädierter Rückenwirbel eines Streckenpostens vereitelte unsere Ambitionen. Nachdem wir 25 Minuten am Start warten mussten, wurde die WP wegen Zeitverzögerung abgebrochen. Frustriert räuberten wir über "Heldrastein 2" und erlebten am Ende die berühmte Täuschung zwischen Realität und persönlicher Wahrnehmung. Später und aggressiver auf der Bremse, mutiger in den Kurveneingang, aber am Ende 5 Sekunden langsamer als beim ersten Durchgang...

Es wurde Nacht in Thüringen und unser nur notdürftig leuchtender Lampenbaum war leider keine große Hilfe, um schnell und zügig die 4. Runde zu überstehen. Trotzdem schafften wir es mit Biegen und Brechen auf dem guten 10. Platz in die wohlverdiente Nachtruhe zu gehen.

Am nächsten Morgen dann, ein Déjà-vu. Zeitkontrolle Service OUT. Ich setzte mich ins Auto, ordnete meine Sachen und wunderte mich über den Platz, den ich auf einmal zur Verfügung hatte. Ich schaute mich kurz um: Keine Helme. Ein kurzer Sprint zum Servicebus, Helme schnappen, rechtzeitig stempeln und wieder runter kommen. Dem aufmerksamen Leser dieses Blogs wird auffallen, dass diese Situation vor genau sechs Jahren, zum gleichen Zeitpunkt der Rallye schon einmal beschrieben wurde...

Was die Zeitenjagd an besagtem Sonntagmorgen betrifft, so befanden wir uns urplötzlich inmitten eines heißen Sekundenkampfes. Acht Teams absolvierten die 7,8 km lange WP "Hohe Sonne" innerhalb von 3 Sekunden. Und wir irgendwie mitten drin. Was auf den nächsten sechs Abschnitten folgte, waren vielleicht Tina's beste Leistungen seit Jahren. Sie nutze jeden Meter der zur Verfügung stehenden Straße, ließ ihr "Lupinchen" schön laufen und hielt auch in den schnellen Abschnitten ordentlich rein. Belohnt wurden diese Mühen mit der 6. Zeit auf der Powerstage und einem schönen Ausrufezeichen, auf das sie durchaus stolz sein kann. Warum eigentlich nicht immer so, dachte ich mir im Stillen im Ziel und freute mich über eine rundum gelungene Veranstaltung.

Ein großes Dankeschön geht an die Jungs von ASWA Motorsport, die den Lupo technisch vorbereiteten und während der Rallye betreuten.


Bildquelle: Wolleditt

L.U.P.O.

thueringen16_blog

L - eibhaftige
U - nd
P - rogressive
O - ptimierung

So könnte man mein Comeback an Tina Wiegand's Seite und meine Premiere im VW Lupo GTI während der Thüringen Rallye am letzten Wochenende kurz und knapp zusammenfassen. Dass dies gleichsam dem Akronym entspricht, ist natürlich reiner Zufall... Apropos Lupo. Ich war gespannt, wie gut Tina mit ihrem "Lupinchen" zurecht kommt und sich als einzige Dame im Feld gegen die Männerwelt und auf den ultraschnellen Wertungsprüfungen (WPs) rund um Pößneck behaupten würde. Bisher kannte ich nämlich die "Tina-Lupinchen" Harmonie immer nur vom Hörensagen.

Aus Budgetgründen musste Tina zum Konzept "Minimalistischer Aufwand" zurückkehren. Das heißt: Wir hatten diesmal nur eine kleine Servicemannschaft unterstützt von Familie und Freunden und im äußersten Notfall das großartige Team von ASWA Motorsport als Back-up dabei.

Bei der Besichtigung konnten wir auf einen bestehenden Aufschrieb zurückgreifen, da die Rallye identisch zur letztjährigen Ausgabe war. Damals fuhr Tina die Rallye mit Stefanie Fritzensmeier, die so freundlich war, mir ihre Notizen zukommen zu lassen. Demzufolge mussten wir nur wenige Passagen anpassen. Wir korrigierten vor allem die Distanzen zwischen den Kurven und konzentrierten uns darauf den Aufschrieb runder und flüssiger zu gestalten. Alles in allem sollte es so passen.

Die Rallye begann am Freitagabend mit der kurzen Nacht-WP "Niederkrossen" und dem Rundkursklassiker in der Innenstadt von Pößneck. Während wir auf dem welligen Passagen im Wald und durch das viel zu hart eingestellte Fahrwerk des Lupo's ordentlich einen übergebraten bekamen, konnte Tina ihre Stärke auf Rundkursen anschließend optimal ausnutzen. Im Ziel der WP meinte sie panisch, dass das Auto brennen würde. Mein beruhigender Kommentar war: "Ganz ruhig, Du hast die Bremsen einfach richtig benutzt..." Ergebnis: 4. Zeit in unserer Division und schneller als 21 Herren der Zunft.

Am Samstag stand Tina jedoch ein großer Kampf bevor. Vorrangig mit sich selbst, denn die schnellen Passagen verlangten viel Mut und vor allem Vertrauen. Nachdem die beiden Rundkurse um die "Bankschenke" jedoch neutralisiert wurden, blieb uns am Vormittag zum Belastungstest beider Komponenten nur noch die WP "Stelzendorf". Eine extrem anspruchsvolle WP, die eigentlich immer ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Selbst wenn man nicht um Bestzeiten fährt. Wir konnten uns in den zwei Durchgängen um 15 Sekunden verbessern und den Anschluss ans Divisionsmittelfeld halten.

Unsere Stimmung war prächtig und entspannt. Nicht nur, weil wir guten Zuspruch von Zuschauern erhielten, die die fahrerischen Verbesserungen von außen sehen konnten, sondern auch, weil man im Auto spüren konnte, dass Tina wieder richtig Freude am schnellen Autofahren hat.

Auf der 22 km langen Königsprüfung, dem Rundkurs "Pößneck Nord" mit seiner welligen Bergabfahrt nach "Niederkrossen" mussten wir jedoch erneut fahrerisch und fahrwerkstechnisch kapitulieren. 1,5 Minuten verloren wir auf die Bestzeit und damit den Anschluss im Kampf mit dem Mittelfeld. Davon ließen wir uns jedoch nicht entmutigen und konnten auf den verbliebenen drei WPs noch ansehnliche Zeiten erzielen.

Im Durchschnitt beträgt Tina's fahrerischer Rückstand derzeit 1,5 Sekunde pro Kilometer auf die Teams, die in der Division auf das Podium fahren. Nach meiner Einschätzung sollte dies eine machbare Aufgabe sein. Wenn der Spaß an der Sache bleibt und der Druck von außen einfach ignoriert wird.


Bildquelle: Mario Zießler

Auf den Spuren einer Legende

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Meine ersten Erinnerungen an die Rallye Sanremo gehen auf das Jahr 1985 zurück. Über diverse Umwege und Hände im Westen und Osten Deutschlands kam die Ausgabe 10/1983 der "rallye racing" zufällig auch zu uns nach Hause. Der Bericht zur 25. Rallye Sanremo war zwar bereits 2 Jahre alt, aber meine Mutter las ihn mir abends im Bett so lebendig vor, dass ich das Gefühl hatte, ich wäre da gewesen. Der zweimalige Weltmeister Walter Röhrl fuhr damals im Lancia 037 auf 33 von 56 Wertungsprüfungen (WPs) Bestzeit und drückte damit der gesamten Rallye seinen Stempel auf – obwohl er sie nicht gewinnen durfte. In der Nacht träumte ich von den Ligurischen Seealpen, den "Tifosi" und der Faszination des italienischen Rallye Klassikers. 31 Jahre später wurde dieser Traum wahr...

Veit König und ich flogen letzte Woche von Berlin aus nach Nizza. Von dort ging es mit dem Mietwagen weiter nach Sanremo und zu den WPs, die schon so viele Geschichten und Dramen erlebten und uns beiden gehörig Respekt einflößten. Respekt nicht nur wegen der anspruchsvollen Streckencharakteristik, sondern auch wegen des gesamten Flairs. Ob des "RÖHRL" Schriftzuges an der berühmten Mauer von Baiardo oder der kleinen Cafés in den Bergdörfern mit ihren unzähligen originalen Rallyesouvenirs. Überall spürten wir, dass in dieser Region Rallye noch gelebt wird und die Menschen den Sport lieben (zumindest eine Woche im Jahr).

Doch Tradition hin oder her – sportlich gesehen hatten wir nach dem Shakedown überhaupt kein gutes Gefühl. Auf der nur 3,5 km langen Strecke hoch nach San Romolo verloren wir ca. 10 Sekunden auf die Zeiten der schnellsten Teams innerhalb der Suzuki Rally Trophy. Wir rechneten fest damit, dass wir während der Rallye absolut chancenlos sein werden und befürchteten, dass uns die Besten auf den bis zu 25 km langen WPs Minuten einschenken würden. Die Qualität und Leistungsdichte innerhalb der Trophy ist nämlich erschreckend gut und unerwartet hoch. Wir haben (bis jetzt) dagegen nur einen einzigen Trumph in der Hand: Erfahrung.

Die 63. Ausgabe der Rallye begann am Freitag Mittag bei angenehm warmem Frühlingswetter mit der 11 km langen Sturzfahrt von Baiardo nach San Romolo. Überraschenderweise verloren wir nur 11 Sekunden auf die Bestzeit. Wir büßten lediglich Zeit ein, sobald es die Passstraßen berghoch ging. Dann aber richtig. So geschehen auf WP2 und 3. Wir konnten uns diesen Unterschied nicht erklären, denn Veit ist nun bei Weitem kein Nasenbohrer, der das schnelle Autofahren über Nacht verlernt hat.

Kurz vor dem Ziel des zweiten Durchgangs um die Bergspitze von "Bignone", stand plötzlich der vor uns gestartete Swift des Teams Rao/Zeppegno nach einer schnellen Kurvenkombination mit völlig zerstörter Front direkt vor uns und blockierte die komplette Strecke. Wir mussten anhalten, checken, ob beide Fahrer OK sind und warten bis die Strecke von den Zuschauern wieder frei geräumt wurde. Wir fuhren langsam bis ins Ziel weiter, um dem offiziellen Sportwart im Ziel vom Vorfall zu berichten, so wie es das internationale Sportgesetz vorgibt. Doch trotz gelber Flagge an besagter Stelle fuhren alle hinter uns gestarteten Teams, bei nun befreiter Strecke, mit voller Geschwindigkeit weiter, so wie es eben die nationalen Regeln vorgeben. Wir verloren wegen des Vorfalls 1:20 Minute. Doch das wollten wir nicht auf uns sitzen lassen. Während der Pause zur Nachtetappe suchten wir die Rallyeleitung auf und baten um ein Gespräch mit dem Präsidenten des veranstaltenden Motorsportclubs. Wir erklärten unsere Situation, die letztendlich vom GPS-tracking System nachvollzogen und bestätigt werden konnte und bekamen schließlich eine faire Zeit zugeschrieben.

Dann ging es in die Nachtetappe, die zur Rallye Sanremo gehört, wie das Amen in der Kirche. Zu Tausenden strömten die "Tifosi" in die Bergdörfer, sammelten sich an den unmöglichsten Stellen und feuerten jeden einzelnen Teilnehmer an, als würde er um den Gesamtsieg fahren. Vielleicht hätten wir das schon früher gebraucht, denn in der Nacht lief es für uns deutlich besser als am Tag. Leider wurde die 22 km lange Königsprüfung von Apricale über Baiardo nach San Romolo, wegen zu vieler Unfälle und stehen gebliebener Fahrzeuge abgesagt. Somit endete unser erster Tag auf Platz 6.

Nach 3 Stunden Schlaf ging ging es am nächsten Morgen weiter. Der Himmel war bedeckt und in den Bergen regnete es. Die erste WP des Tages war mit 25 km auch gleichzeitig die längste der Rallye. Nach 4 km waren wir in den Wolken verschwunden. Sichtweite gleich Null. Volle Konzentration auf den Aufschrieb, um ja den Film nicht abreißen zu lassen. Veit bestätigte die "markanten" Ecken mit einem kurzen: "Hab ich!" Im Ziel hatten wir ein gutes Gefühl, waren völlig durchgeschwitzt aber begeistert. 4. Zeit. So muss Rallye sein.

Wir hatten gehofft, dass es so weitergehen würde, doch dann begann unsere Kupplung zunehmend nachzulassen und rutsche immer mehr durch. Nach dem letzten Service dachten wir kurz daran aufzuhören, aber wir beschlossen: "Solange sich alle 4 Räder noch drehen, fahren wir weiter."

Noch zwei WPs und noch einmal über den langen Kanten im Nebel von "Bosco Di Rezzo". Wir fuhren 10 Sekunden schneller als im ersten Durchgang. Hoffen und Bangen. Wird die Kupplung durchhalten? Noch einmal 5 km bergab. Unserere italienischen Mechaniker waren außer sich und zitterten an den Zeitmonitoren, die ganze Zeit mit uns mit. Mit weidwundem Swift erreichten wir glücklich und mit letztem Kupplungsschluss das Ziel der Rallye am Hafen von Sanremo und retteten so einen hart erkämpften 5. Platz in der Trophy Wertung.

Veit besorgte uns zwei kleine Bier für die Zielrampe. Ein unbeschreibliches Gefühl übermannte uns und Veit sagte immer wieder: "All das kann uns keiner mehr nehmen, Henry." Ich konnte dies nur bestätigen...