Come fly with me, let's fly
Nachdem Nick Heilborn und ich im letzten Herbst enttäuscht auf dem Weg zur Hohen Sonne wegen eines zahnlosen Differentials am M3 das Rallye Race Gollert nicht beenden konnten, bot es sich regelrecht an, die diesjährige "Frühlingsausgabe" (die Gänsefüßchen sind an dieser Stelle ganz bewusst gesetzt) und 20. Jubiläumsausgabe unter dem Vorhabenstitel 2.0 erneut anzugehen und gleichzeitig auf Wiedergutmachung zu hoffen.
Das Spannendste im Vorfeld der Rallye war sicherlich der Wetterbericht für die Region rund um Eisenach. Der sagte nämlich für den Morgen der Veranstaltung Regen voraus, der in unregelmäßige Schauer am Nachmittag übergehen würde, die sich in Höhenlagen von bis zu 350 m auch in Schnee verwandeln könnten. Der Gollertskopf, Namenspatron der Rallye und selbiger Wertungsprüfung hoch zum Rennsteig, liegt auf einer Höhe von 560 m... Ich kann es vorweg nehmen: Es lag Schnee. Am Gollert. Im Mai.
Bei solchen Wetterprognosen liegt die quälende Reifenfrage stets auf der Hand. Wenn man jedoch alternativlos (aber effizient) zur Rallye anreist, dann muss man mit dem auskommen, was man dabei hat. Hat aber auch gleichzeitig eine Sorge weniger. Sprich: Ein Satz Trockenreifen der Marke Michelin in der Mischung Soft und ein Reserverad. Wie sich herausstellen sollte, war dies keine ganz schlechte Entscheidung.
Pünktlich zum Start hörte es auf zu regnen. Auf den Straßen stand aber immer noch Wasser. Mit Startnummer 16 waren wir die ersten, die den Klassenkampf eröffnen mussten und damit gegenüber unseren Konkurrenten leicht im Nachteil, die konsequent auf Intermediate oder gar Regenreifen setzten. Es reichte zu unserer Verwunderung trotzdem zu einer Bestzeit in "Krauthausen I".
Doch unsere eigentliche Zeit sollte erst noch kommen, denn jede Minute die es nicht regnete, sollte uns mehr und mehr in Reifenkarte spielen. Die Strecken auf der "Guten Hoffnung I" waren bereits überwiegend trocken, die Asphalttemperatur kühl und wir für diese Bedingungen bestens bereift. Gefühlte 30 Sekunden im ausgedrehten fünften Gang und 6:14 Minuten später, konnten wir auf einmal auch in der Gesamtwertung ein Wörtchen mitspielen, verbesserten uns mit der 4. Gesamtzeit auf den 8. Rang und sorgten bei so manchen Konkurrenten für leichte Kopfschmerzen und Ansätze der Resignation. Den Zuschauern schien es jedoch zu gefallen (Flüster: "Uns auch..." )
Im Regrouping beobachteten wir den Himmel und die sich stets verändernde Wetterlage und diskutierten unsere weitere Vorgehensweise. Solange es trocken bleibt: Attacke. Kontrollierte Defensive, wenn es regnet (hagelt oder schneit).
Was danach folgte, war der schnellste Flug und mächtigste Satz, den ich jemals in "Krauthausen" runterbeten durfte. Da passte einfach alles. Solche Momente hat man nicht oft auf beiden Seiten im Rallyesport, aber wenn sie passieren dann ist es das Größte. Da ist es auch egal, wenn die verdeckte Lichtschranke im Ziel nicht richtig auslöst und man eine 2 Sekunden schlechtere Zeit zugewiesen bekommt. Die innere Freude über die eigene Performance überwiegt.
Nach drei weiteren Eiertänzen bei Hagel, Schnee und Sturm am Rande der Fahrphysik, Sichtbeeinträchtigung durch eine tiefstehende Sonne und aufdampfenden Asphalt inklusive, gelang uns schließlich das Ausmerzen der gollertschen Scharte von 2018 und wir feierten einen klaren Klassensieg und sehr feinen 6. Gesamtrang. Das dies auch noch alles im Rahmen von Nick's 50. Rallye passierte, versüßte das Ganze noch ein bisschen, sollte aber nur am Rande erwähnt sein.
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Trotz unserer Freude über den Sieg waren wir in Gedanken auch bei dem schwer verunfallten Team Schuhej/Kraft. Unsere sorgenvollen Genesungswünsche sollen sie auf diesem Wege erreichen.
Bildquelle: MarXpiX
Ergebnis: Zweitrangig
Zwei Jahre ist es her, dass Veit und ich das letzte Mal gemeinsam bei einer Rallye starteten. In diesen zwei Jahren hat sich in unser beider Leben vieles getan. Das größere Schicksal hatte dabei aber sicherlich Veit auf seinen Schultern zu tragen. Drei Bypässe mussten an seinem Herz verlegt werden... und auf einmal ändert sich alles. Obwohl die Operationen erfolgreich verliefen, zwang ihn dieser Umstand nicht nur seine generelle Einstellung zum Leben, sondern auch sein Privatleben und Handeln in seiner Firma massiv umzugestalten und einzuschränken. An Rallyefahren war lange nicht zu denken. Körperlich ging es ihm relativ schnell wieder gut, aber die mentale Komponente ließ ihn immer wieder an einem Comeback zweifeln. Der Gedanke ans Aufhören stand immer im Raum. Wer den kleinen Mann aus Zschopau aber kennt, der weiß: Ein König läßt sich nicht so einfach runterkriegen.
Und so fragte er mich völlig überraschend, was ich am Wochenende der SÜW Rallye vor hätte. Ich erwiderte kurz und knapp: "Bisher nüscht!" Andreas Schwalie vom MSC Ramberg würde sich freuen, wenn wir bei der Rallye seines Vereins an den Start gehen würden. Ich sagte zu und bereitete alles vor, während Veit sich erst einmal nach Schweden und ich mich nach Frankreich verabschiedete.
Zwei Wochen später durften wir uns dann als "Exoten" im pfälzischen Edenkoben vom Veranstalter begrüßen lassen. Auf der Hinfahrt hatten wir viel Zeit, um uns über seine Motivation zu unterhalten. Veit wollte lediglich herauszufinden, ob er noch Spass und Befriedigung beim vorbereiten und absolvieren von Wertungsprüfungen (WP's) empfindet und auch, ob sein Kopf und Körper das Fahren am Limit noch verarbeiten kann. Eine kleine Rallye mit 2 unterschiedlichen WP's, die jeweils dreimal beziehungsweise zweimal zu fahren waren, sollten dafür als Standortbestimmung herhalten. Auch, um eine mögliche finale Entscheidung zu treffen.
Erster Durchgang: die kurze Version der anspruchsvollen "Totenkopf" WP durch den Pfälzer Wald. Ein Aufschriebfehler in einer Spitzkehre resultierte in einem kleinen Kurzausflug und der Entwurzelung eines Begrenzungspfahls. Ansonsten war es so als wäre die Zeit still geblieben. Rückstand auf die Gruppenbestzeit: 2.1 Sekunden. Kein schlechter Beginn, zumal uns nach der WP auffiel, dass die Räder an der Vorderachse vertauscht montiert waren. Wir entschieden jedoch erst einmal so weiterzufahren und erst später die Räder wieder richtig zu montieren.
Auf dem anschließenden Rundkurses "Großfischlingen I" sah ich mich eigentlich schon Bratwurst essend und das ganze Spektakel von außen betrachtend. Was war passiert? Nach verhaltenem Beginn in der ersten Runde, ließen sich nach und nach die Gänge im Swift nicht mehr einlegen. Während ich dachte: 'Das war es jetzt!', schien Veit jedoch zu ahnen, wo das Problem begraben lag und fuhr langsam auf der letzten übrig gebliebenen Welle ins Ziel der WP. Ein kurzer Blick unter die Motorhaube zum Getriebe offenbarte, dass die Schaltseile nicht zusätzlich gesichert waren. Zwei Kabelbinder reichten und das Problem war behoben.
Nach einem zweistündigen Regrouping nutzten wir die anschließende Verbindungsetappe zum Wechseln der Räder an der Vorderachse und freuten uns auf die 8 Kilometer lange Version des "Totenkopfes". Diesmal lief alles rund auch Veits Versuche die schnellen Kurven mit links anzubremsen (ein Novum) funktionierte tadellos und schwungverlustfrei. 2.5 Sekunden Rückstand auf die Gruppenbestzeit zauberte ein kleines Grinsen der Zufriedenheit auf unsere Gesichter.
"Großfischlingen II", und diesmal wollten wir es besser machen. Doch beim harten Anbremsen des ersten Abzweiges in der zweiten Runde, kamen wir leicht auf die rechte Grasnabe. An ein "ordnungsgemäßes" Durchfahren des Abzweiges war ziemlich schnell nicht mehr zu denken. Veit zwang den Swift zwar noch mit der Handbremse in einen Gegenpendler und drehte uns rückwärts in die Büsche im Kurvenausgang; wir blieben aber trotzdem mitten auf der Strecke stehen. Dann war erst einmal Ruhe. Der Motor sprang nicht mehr an. Immer wieder versuchten wir das Herz zum Leben zu erwecken. Ich animierte die Zuschauer uns von der Strecke zu schieben. Glücklicherweise reichte dieser Impuls und der Swift jaulte wieder auf. Unser Verlust betrug knapp eine Minute und wir machten uns keine Illusionen mehr auf eine fordere Platzierung.
Während des zweiten Regroupings teilte ich Veit mit, dass wir uns nach unseren mißglückten Aktionen in "Großfischlingen" nun auf dem 6. Gruppenplatz befanden. Veit war es egal und entschied für den letzten Durchgang "Totenkopf by night" nichts mehr riskieren und uns nur noch nach Hause schaukeln zu wollen. Inwiefern man bei einer 16. Gesamtzeit von ruhig sprechen kann, obliegt wohl seinem Geheimnis. Und somit wurde nach diesem Husarenritt das Ergebnis im wahrsten Sinne des Wortes doch noch "zweitrangig".
Veit freute sich, wie ein König - und ich mich mit ihm. Wie sich alles nach zwei Jahren Kampf schließlich für ihn ausging, wie er noch immer Freude empfindet, sich mit den Jungen nicht nur messen zu wollen sondern auch zu können und wie er noch immer an sich selbst arbeitet, um noch besser zu werden. Mit 55 Jahren und drei Bypässen. Mein tiefster Respekt dafür, mein Freund.
To be continued...
Bildquelle: Mathias Kaiser