Die Zeit lügt nicht

Im Rallyesport werden Rückstände intern gerne in Sekunden pro Wertungsprüfungskilometer (sek/km) ausgerechnet. - "Warum man das macht?" - Nun, es scheint den Fahrern eine bessere Vorstellung zu geben, was ihnen auf die Spitze noch fehlt, denn 1 km lässt sich besser veranschaulichen als 10,2 oder gar 25,6 km. Das ist im Profibereich genau das Gleiche wie bei den "Amateuren". Hinzu kommt, wenn man das gleiche Auto mit der gleichen Technik fährt (wie im Falle der Citroen Racing Trophy), dann ist dies ein guter Vergleich für die fahrerische Qualität und ein adäquates Mittel dem Fahrer/Fahrerin zu zeigen, wie hart er/sie noch an sich selbst arbeiten muss, um aus eigener Kraft einmal vorne mitmischen zu können.

Am Anfang der Saison betrug Tina Wiegands Rückstand auf die Spitze im Durchschnitt noch 4,4 sek/km. Nach dem zweiten Lauf in Sulingen waren es "nur" noch 3,5. Das ist zwar immer noch relativ viel, zeigt aber trotzdem, wie sich unsere Zusammenarbeit bereits auszuzahlen scheint. Daran wollten wir am letzten Wochenende bei der "AvD Sachsen Rallye" in Zwickau ansetzen und unseren Rückstand weiter reduzieren. Völlige Konzentration nur auf uns und die Zeiten.

Der Freitagabend war mit zwei Durchgängen auf dem Zuschauerrundkurs "Glück auf Brücke" für mich relativ entspannt. Außer 4 Kreuze für jede absolvierte Runde zu machen, gab es kaum etwas zu tun. Aufregend war es trotzdem, denn nach unserem ersten Umlauf des ersten Durchganges, ließ der offizielle Starter unglücklicherweise das Team Schneider/Weyand direkt vor uns auf die Strecke. An der ersten Spitzkehre waren wir bereits am Heck des reinen Damenteams, fanden aber bis zum Ende keinen Weg vorbei und verloren dementsprechend Zeit. Tina war richtig sauer.

Während des zweiten Durchganges im Dunkeln hatten wir zwar freie Fahrt, aber Tina fuhr nicht aggressiv genug und so reihten wir uns mit 2 Sekunden Rückstand hinter dem Team Schneider/Weyand auf dem 8. Platz der Trophy ein. Dies bedeutete, dass wir am Samstag direkt hinter ihnen starten würden.

Nach dem Regen am nächsten Morgen ging das muntere Reifenpokern für die anspruchsvollen und schnellen WPs im Zwickauer- und Vogtland los. Für die WP "Hirschfeld" wählten wir rundum die weiche Mischung mit Trockenprofil, denn rechtzeitig zum Start hörte es auf zu regnen. Nur die Straßen waren noch feucht. Komplett richtige Entscheidung. Tina fuhr einen sauberen Strich bis uns nach dem bekannten Plattenstück von einem Streckenposten aufgeregt die gelbe Flagge gezeigt wurde: "Achtung - Gefahr!" Wir reduzierten die Geschwindigkeit und warteten gespannt auf die Dinge, die sich nach der nächsten schnellen Kurve uns offenbarten. Nach einem Abflug stand der Citroen DS3 von Schneider/Weyand komplett quer auf der Straße. Wir mussten anhalten und wurden von der ausgestiegenen Besatzung am havarierten Fahrzeug durchs Gras vorbeigeleitet. Durch die Aktion verloren wir schätzungsweise 10 Sekunden.

Dass auch ich sauer werden kann, zeigte sich im Ziel der folgenden ultraschnellen WP "Weißensand". Wir fuhren eine gute Zeit, aber Tina ging unerklärlicherweise und grundlos schon vor dem Ziel vom Gas. Für mich ein absolutes "No-Go". Mein Griff ging daraufhin ganz schnell zur Gegensprechanlage und schaltete sie einfach aus. Ich hatte keine Lust auf Ausreden. Auf der Verbindungsetappe zum ersten Service konnte ich aber schon wieder Witze machen. Die gute Stimmung musste ja schließlich erhalten bleiben.

Der Rest der Rallye ist kurz erzählt. Wir fuhren auf einen sicheren 6. Platz liegend unseren Stiefel zu Ende. Nach hinten hatten wir über zwei Minuten Luft und hofften insgeheim noch auf einen Ausfall vor uns. Und obwohl sich unser Wunsch nicht bewahrheitete, steigerte sich Tina immer weiter und konnte ihren Rückstand zum Ende auf unter 3 sek/km reduzieren. Ob auf der kurzen knackigen WP "Fraureuth" oder dem über 25 km langen Kanten "Crinitzberg". Gefährliche Momente gab es dabei aus meiner Sicht nicht. Das zeigt aber auch wieviel Potential noch da ist. Die Zielvorgabe hat sie zwar erreicht, aber die Jungs vor uns sind alle keine Nasenbohrer und realistisch betrachtet, ist es für uns immer noch ein weiter Weg aus dem Niemandsland zum Allerwertesten der Trophyspitze. Wir dürfen nur nicht aufgeben... – #keeponfighting.